Norderney-Reihe: Schwestern im Herzen Band 2
Zwei Frauen, zwei Leben, zwei Schicksale,
die unter die Haut gehen.
Der Krieg ist vorbei! Endlich erhält Marianne ein langersehntes Lebenszeichen von ihrem Verlobten Hans. Doch die anfängliche Freude auf ein baldiges Wiedersehen löst sich schnell in Luft auf. Hans wurde angeklagt und muss sich der Vergangenheit stellen. Marianne glaubt fest an seine Unschuld. Kurzerhand beschließt sie, alles zu riskieren, um ihn zu retten. Gleichzeitig hofft sie, ihre beste Freundin Else zu finden, deren neugeborene Tochter sie im Tumult der Kriegsereignisse in Obhut genommen hat. Arjen, der heimlich in Marianne verliebt ist, begleitet die beiden auf ihrer gefährlichen Reise. Wird Marianne Else in den Wirren der Nachkriegszeit finden, und ist Hans wirklich der Mann, in den sie sich einst verliebt hatte?
Mit dem Krieg ist auch Elses Martyrium zu Ende. Sie ist frei und hat nur ein Ziel: Ihre beste Freundin Marianne und ihre Tochter Hedi auf Norderney endlich wieder in die Arme schließen zu können. Als man sie der Kollaboration mit dem Feind beschuldigt, macht der Amerikaner James Müller ihr ein Angebot, das sie in der Not nicht ausschlagen kann. Doch was, wenn das Schicksal seine Finger im Spiel hat und Else fürchten muss, Marianne und Hedi nie wiederzusehen.
Leseprobe
»Ich kann es nicht fassen!« Peter sah verstört aus, als er mit einem Brief in der Hand in die Küche trat. »Sie haben ihn inhaftiert.« »Was?« Mariannes Herz schlug ihr bis zum Hals. Das konnte doch nicht wahr sein! Hans gehörte zu den Guten, das wusste sie ganz genau. Er hatte sie und Hedi gerettet. Ihnen zur Flucht in die Schweiz verholfen. Außerdem hatte er ihr geschworen, auf Else aufzupassen, und wenn sich eine Möglichkeit ergab, auch ihr die Flucht zu ermöglichen. Nein, Hans war kein Verbrecher, nicht ihr Hans, der Mann, den sie liebte. »Ich muss sofort zu ihm. Er braucht mich jetzt, koste es, was es wolle.« »Marianne, sei vernünftig, bitte! Du kannst nicht zurück. Womöglich stehst du schon auf deren Liste. Was, wenn sie dich verhaften? Was ist dann mit Hedi?« Es klopfte an der Tür. Marianne zuckte zusammen. Schweren Herzens legte sie den Brief auf den Tisch, bevor sie zur Tür ging. Arjen Janssen stand da mit einem Korb Brennholz in der Hand. Er lächelte sie an, und seine wasserblauen Augen strahlten.
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»Wir sind frei, Else!«, rief Lene und stürmte in den Waschraum. Else war gerade dabei, ihre Haare unter dem Wasserhahn an dem alten Waschbecken zu waschen. Sie blickte hoch. »Was meinst du damit, Lene?« »Na so, wie ich es sage. Die Alliierten sind bereits in Österreich. Es dauert nicht mehr lange, dann sind sie hier.« Nun richtete sich Else ganz auf und sah Lene mit großen Augen an. »Else, warum sagst du denn nichts?« Lene lief nun direkt auf sie zu, fasste sie an den Unterarmen und rüttelte sie. »Else! Hast du mir eigentlich zugehört?« »Ist das wahr?«, flüsterte sie nun ungläubig. Stürmisch fiel Lene ihr um den Hals, obwohl ihr geblümtes Kleid dadurch ganz nass wurde. »Ja, Else, es ist wahr: Wir sind frei!« Nun begannen beide Frauen zu weinen, während sie sich fest aneinanderklammerten.
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Am Abend zermarterte sich Marianne den Kopf. Wie sollte sie es nur anstellen, nach Linz zu reisen. Tausend Gedanken schwirrten in ihrem Kopf umher, als es klopfte. »Guten Abend Marianne, darf ich reinkommen?« Sie nickte und öffnete die Tür nun ein Stück weiter. »Was gibt es denn, Arjen? Hast du eine Idee, wie du uns helfen kannst?« »Ja, vielleicht. Hör mir jetzt genau zu, Marianne. Du weißt, ich würde alles für dich und Hedi tun. Um nach Deutschland oder Österreich einzureisen, müsstest du eine neue Identität annehmen. Ich könnte dir und Hedi neue Papiere erstellen.« Marianne sah ihn mit großen Augen an. »Ist das wahr?« »Ja, nur gibt es ein Aber. Als Frau mit einem Kleinkind allein nach Deutschland oder Österreich zu reisen, ist gefährlich. Nicht wegen der Nazis, sondern wegen der Alliierten. Du wärst ihnen als Frau ausgeliefert, Marianne.« Sie stutzte und sah ihn fragend an. »Wie meinst du das?« Er räusperte sich. Dann wurde seine Stimme leiser, und er beugte sich vor. »Die Soldaten sind bereits lange von zuhause weg. Sie haben furchtbare Dinge gesehen, erlebt, getan, und sie haben Bedürfnisse, verstehst du?« Marianne schien noch immer nicht zu wissen, was er damit sagen wollte. Dann jedoch sah sie ihn mit großen Augen an. »Du meinst …« Sie sprach nicht weiter. Ein eiskalter Schauer lief ihr über den Rücken.
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Sie hatten Linz erreicht. Es war nicht mehr die Stadt, die ihr in Erinnerung geblieben war. »Hoffentlich geht alles gut«, flüsterte Marianne, die zitternd die gefälschten Papiere und ihren Koffer in den Händen hielt. Arjen berührte sie sanft am Arm und sah sie liebevoll an. »Vertrau mir und atme durch.« Marianne sog tief die stickige Luft des stark vom Krieg beschädigten Bahnhofsgebäudes ein. Am liebsten hätte sie gehustet, doch sie unterdrückte den Reiz, um keine Aufmerksamkeit zu erregen. Was, wenn sie bemerkten, dass die Papiere gefälscht waren, was wenn … Plötzlich begann Hedi zu weinen. Sofort schlang sie ihre kleinen Ärmchen um Mariannes Hals, vergrub das Gesicht an ihrer Brust und schluchzte bitterlich. Beruhigend strich Marianne ihr über den Rücken. Dann schaute sie zu Arjen. In diesem Moment wusste sie, dass sie nicht dankbar genug sein konnte, dass er an ihrer Seite war. Mit ihm würde sie es schaffen, Else zu finden und Hans zu befreien, um dann endlich nach Norderney zurückzukehren. Sie wusste, wenn sie den Sand zwischen ihren Zehen spüren und das Salz wieder auf ihren Lippen schmecken könnte, würde alles gut werden. Er gab ihr die Kraft und die Hoffnung, jede Schwierigkeit zu überwinden. Ja, Arjen war ein wirklicher Freund.
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»Da kommen sie.« Else hörte das Grölen der Menschen am Eingangstor. Ihre Stimmen schallten über das ganze Gelände, ebenso wie das Motorengeräusch der Fahrzeuge, die nun durch das Tor fuhren. Die Frauen wagten es nicht, zu der tobenden Menge zu gehen. Eine ganze Zeitlang passierte nichts, dann jedoch kamen vier amerikanische Soldaten zur Baracke. Einer von ihnen sah Else direkt an. Er war groß und kräftig. Sein braunes Haar lugte unter der Mütze hervor. Er hatte grüne Augen und ein Grübchen am Kinn. »Kann mich irgendjemand verstehen?« Else hob überrascht den Kopf. Er sprach Deutsch, wenn auch mit amerikanischem Akzent. Sofort hob sie die Hand. »Ja, ich verstehe Sie.« Nicht weniger überrascht drehte er sich zu ihr. Dann lächelte er. Es schien Ewigkeiten her zu sein, dass das Lächeln eines Mannes so viel Hoffnung in ihr ausgelöst hatte, wie das dieses Amerikaners gerade. Nun kam er auf sie zu. Er wirkte keinesfalls bedrohlich, eher im Gegenteil. »Mein Name ist James Müller, Major der amerikanischen Delegation. Die Nationalsozialisten sind besiegt, und ihr Führer Adolf Hitler tot. Wir sind hier, um Sie zu befreien, Miss. Wie ist Ihr Name?« Else sah ihn groß an. Alle Augen waren auf sie gerichtet. Kurz schluckte sie. »Mein Name ist Else Lederer.
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